Die Shutterstock-​Quartalszahlen sind da: Überblick über die Entwicklung der letzten Jahre

Es ist schon fast vier Jahre her, seit ich das letz­te Mal die Quartalszahlen der bör­sen­no­tier­ten Bildagentur Shutterstock hier im Blog ver­öf­fent­licht und kom­men­tiert habe.

Daher ist es an der Zeit, erneut einen Blick auf die Zahlen zu Downloads, Umsatz, Gewinn und so wei­ter zu wer­den und aus Anbieterperspektive zu schau­en, was wir viel­leicht aus die­sen Zahlen ent­neh­men können.

Schauen wir uns zuerst die bezahl­ten Downloads an:

Die bezahl­ten Downloads erreich­ten im ers­ten Quartal 2024 bei 35 Mio.
Zum Vergleich: Den höchs­ten Wert erziel­te Shutterstock im vier­ten Quartal 2019 mit 47,7 Mio Pay-​Downloads. Das ist ein Rückgang um mehr als ein Viertel (genau­er: 26,62 %).

Die größ­te Absenkung der Download-​Zahlen gab es vom ers­ten zum zwei­ten Quartal 2023, mit ca. 4,2 Mio. Downloads weniger.

Wie ihr in der nächs­ten Grafik sehen könnt, ist der Rückgang beim Download-​Umsatz nicht so gra­vie­rend. Dieser lag im ers­ten Quartal 2024 bei knapp 174 Mio. Das ist ein Rückgang von ca. 10,1% im Vergleich zum bes­ten Wert mit 193,5 Mio. im zwei­ten Quartal 2022.

Das mag unter ande­rem an dem ver­än­der­ten Vergütungsmodell für die Anbieter lie­gen, wel­ches Shutterstock im Mai 2020 ein­ge­führt hat­te. Damit erhal­ten Anbieter eine pro­zen­tua­le Beteiligung basie­rend auf ihren Verkaufszahlen pro Jahr. Sind die­se nied­rig, muss Shutterstock den Fotograf*innen weni­ger Prozente zah­len.
Das mag den Anstieg des Download-​Umsatzes ab dem 3. Quartal 2020 erklä­ren und auch die Tatsache, dass der Download-​Umsatz lang­sa­mer zurück geht als die Downloads selbst. Denn je weni­ger Downloads ins­ge­samt, des­to weni­ger Prozente schüt­tet Shutterstock an die Anbieter aus und behält mehr für sich.

Das Portfolio von Shutterstock wächst jedoch trotz­dem unge­bremst wei­ter. Vom zwei­ten Quartal 2022 bis zum ers­ten Quartal 2024 hat sich das Portfolio mehr als ver­dop­pelt von 441 Mio. Dateien auf 888 Mio. Dateien.

Die Videos im Portfolio haben dar­an nur einen gerin­gen Anteil. Zwar gab es im vier­ten Quartal 2022 einen sprung­haf­ten Anstieg von 27 auf 45 Mio. Videos, der ver­mut­lich durch die Übernahme der Videoagentur Pond5 im Mai 2022 zustan­de kam, ansons­ten aber ver­läuft die Zunahme sehr line­ar und gleichmäßig.

Ganz anders hin­ge­gen sieht das bei den Bildern aus:

Nach der Änderung der oben erwähn­ten Honorarstruktur hal­bier­te sich die Zunahme der Bilder fast von ca. 20 Mio. Bildern pro Quartal auf 10 Mio. neu­er Bilder. Erst im vier­ten Quartal 2022 gab es einen kome­ten­haf­ten Anstieg mit plötz­lich 176 Mio. neu­en Bildern, von denen ver­mut­lich ein gro­ßer Teil KI-​generiert war. Aber auch hier könn­te die Übernahme von Pond5 einen Teil dazu bei­getra­gen haben.

Im dar­auf fol­gen­den Quartal ver­bot Shutterstock das Hochladen von KI-​generierten Bildern und die Anzahl neu­er Bilder sank mit 15 Mio. neu­en Bildern fast wie­der auf „Normalniveau“.

Aber schon im zwei­ten Quartal 2023 lag der Anteil neu­er Bilder wie­der bei 119 Mio. und ich bezweif­le stark, dass die Übernahme von GIPHY im Mai 2023 hier einen rele­van­ten Anteil hat­te. Vermutlich haben nur genug Anbieter Mittel und Wege gefun­den, ihre KI-​Bilder auch ohne Kennzeichnung durch die Bildredaktion zu schleu­sen. Aber das ist natür­lich nur eine Spekulation. Auffällig ist der Anstieg allemal.

Ebenfalls auf­fäl­lig, aber bes­ser erklär­bar ist der ste­ti­ge Anstieg des Umsatzes pro Download (Revenue per Download, RPD). Shutterstock hat es geschafft, den Umsatz pro ver­kauf­tem Bild (oder Video) von ca. 2 USD pro Verkauf im zwei­ten Quartal 2011 auf fast 5 USD im letz­ten Quartal zu steigern.

Klar erkenn­bar ist, dass der Trend ab der Änderung der Honorarstruktur im zwei­ten Quartal 2020 nach eini­gen Jahren der Stagnation deut­lich ansteigt. Oder anders for­mu­liert: Die geän­der­te Vergütungsstruktur ging ein­deu­tig zu Lasten der Fotograf*innen und Shutterstock pro­fi­tier­te davon. 

Diese Grafik ist lei­der etwas des­il­lu­sio­nie­rend für die Bildlieferanten von Shutterstock. Da die Gesamtmenge des Portfolios deut­lich schnel­ler wächst als die Downloadzahlen, ist es nahe­lie­gend, dass die Verkäufe – und damit auch der Umsatz – pro Bild dras­tisch sin­ken. Konnte jemand vor zehn Jahren im Schnitt noch knapp 2 USD pro Bild im Portfolio ver­die­nen pro Quartal, ist die­ser Wert zuletzt auf 0,20 USD gesun­ken. Das ist nur Zehntel davon.

Dazu passt, dass „Contributoren“ von Shutterstock in die­sem lang­fris­ti­gen Finanzplan 2027 nur ein­mal Erwähnung fin­den, und zwar als „Community zur Bereitstellung maß­ge­schnei­der­ter Daten-​Trainingssätze“ (Seite 5).

Die abso­lut gesun­ke­nen Umsätze durch Medienverkäufe sind für Shutterstock aber gar nicht so schlimm, weil sie in den letz­ten drei Jahren ver­stärkt auch Umsätze aus ande­ren Bereichen haben mit der omi­nö­sen Bezeichnung „Data, Distribution and Services“. Darunter fal­len zum Beispiel die Lizenzierung von KI-​Trainingsdaten oder ande­re Dienstleistungen, meist Bereiche, in denen Shutterstock Anbietern noch weni­ger abge­ben muss.

Der Umsatz aus dem rei­nen Bildlizenzierungsgeschäft ist in den letz­ten vier Jahren von 99,32% (2020) auf 82,08% (2024 TTM) gesunken.

Bei die­ser Grafik bin ich mir ehr­lich gesagt nicht ganz sicher, ob ich rich­tig gerech­net habe. Ich habe die Werte aus der „2024 First Quarter Financial Information“-Excel-Tabelle von Shutterstock genom­men. Die oran­ge­nen Balken sind die Zahlen aus der Zeile 223 „Content Revenues“ und die grü­nen Balken aus der Zeile 179 „Contributor royal­ties paya­ble“. Damit soll­te sich, mei­ner nai­ven Ansicht nach, erken­nen las­sen, wie viel Prozent der Bildverkaufsumsätze an die Anbieter aus­ge­zahlt wer­den. Das Ergebnis wäre die blaue Linie, die aber ernüch­tern­der­wei­se von 4 auf 9% gestie­gen wäre. Das kommt mir immer noch viel zu wenig vor.

Vielleicht könnt ihr die Zahlen selbst nach­prü­fen. Habe ich einen Denkfehler oder liegt der durch­schnitt­li­che Fotografenanteil beim Bildverkauf tat­säch­lich nur bei 4–9%?

Wer selbst in den Quartalszahlen von Shutterstock stö­bern möch­te, wo sich auch noch vie­le ande­re Informationen ver­ste­cken, fin­det die Übersicht der gesam­mel­ten Berichte hier auf der Investor-​Seite von Shutterstock.

Kürzlich hat Shutterstock übri­gens Envato über­nom­men, ich bin gespannt, wie sich das auf die zukünf­ti­gen Zahlen aus­wir­ken wird.

Was sagt ihr zu der Entwicklung?

Verschiebung des Gerichtstermins gegen LAION e.V.

Der für Donnerstag, den 25.4.2024 ange­setz­te Gerichtstermin fällt aus.
Grund dafür ist ein kurz­fris­ti­ger Antrag des geg­ne­ri­schen Anwalts, wel­cher an die­sem Termin angeb­lich ver­hin­dert sei.

Das Gericht hat die­sem Antrag eben statt­ge­ge­ben.
Der Termin wur­de ver­legt auf: Donnerstag, den 11.07.2024, 13:30 Uhr, Sitzungssaal A 265, 2. Etage, Sievekingplatz 1 (Ziviljustizgebäude) in Hamburg.

Ich bedaue­re die­se Verzögerung und habe irgend­wie das Gefühl, dass LAION e.V. viel­leicht lie­ber noch unge­stört, ach, las­sen wir die Spekulationen…

Den Hintergrund für das Einreichen mei­ner Klage könnt ihr hier und hier aus­führ­lich in mei­nen Blogartikeln nachlesen.

Kurz gefasst befin­den sich etli­che mei­ner Fotos im Datensatz „LAION 5B“. Anhand eines kon­kre­ten Fotos als Beispiel for­de­re ich Unterlassung und Auskunft über den Nutzungsumfang, da ich der Meinung bin, dass die Verwendung des Fotos für das Trainieren des Datensatzes eine urhe­ber­recht­lich rele­van­te Vervielfältigung dar­stellt. Da LAION auf mei­ne Abmahnung nicht zu unse­rer Zufriedenheit reagie­ren woll­te, blieb uns nur die Möglichkeit des Klagewegs.

Zeitlicher Ablauf der Klage:

  • 27.04.2023: Klage ein­ge­reicht beim Landgericht Hamburg
  • 28.06.2023: Verfügung des Landgericht Hamburg, der Verein kann Verteidigungsbereitschaft anzei­gen und Klage erwidern
  • 01.08.2023: LAION e.V. reicht Klageerwiderung ein
  • 20.09.2023: Stellungnahme mei­nes Anwalts zur Klageerwiderung
  • 15.04.2024: Stellungnahme des Gegenanwalts zu unse­rem Schriftsatz 
  • 19.04.2024: Antrag der Gegenseite auf Terminverschiebung (ursprüng­lich ange­setz­ter Termin war am 25.04.2024)
  • 11.07.2024: Neuer Gerichtstermin vor dem Landgericht Hamburg um 13:30 Uhr

Das Verfahren ist öffentlich.

Andere aktuelle Klagen im KI-Bereich

Ich bin jedoch nicht der ein­zi­ge, wel­cher sich dar­an stört, dass sei­ne urhe­ber­recht­lich geschütz­ten Werke ohne Nachfragen oder Entlohnung durch KI-​Firmen ver­wer­tet werden.

In den USA läuft aktu­ell die­se Sammeklage drei­er Künstlerinnen gegen Stability AI, Midjourney und DeviantArt.

Die US-​Komikerin Sarah Silverman klagt der­zeit zusam­men mit zwei ande­ren Autoren gegen den ChatGPT-​Betreiber OpenAI und den Facebook-​Mutterkonzern Meta wegen der Verwendung eini­ger ihrer Bücher in den KI-Trainingsdaten.

Auch gegen Google läuft die­se Klage wegen der uner­laub­ten Verwendung von Daten für das KI-Training.

Schon län­ger bekannt ist die Klage der Bildagentur Getty Images gegen Stability AI wegen deren Verwendung von Bildern im KI-Trainingsdatensatz.

Adobe Stock: Neue kostenlose „select all“-Funktion (mit Skript)

Ich habe bei der Bildagentur Adobe Stock über 85.000 Bilder online und alle die­ser Bilder sind – nach Shootings o.ä. sor­tiert – in „Collections“ ein­sor­tiert, damit ich die­se mit dem Analysetool Stock Performer sepa­rat aus­le­sen und mei­ne Statistiken nach Collection getrennt ana­ly­sie­ren kann.

Leider ist es oft sehr müh­sam, alle Bilder auf einer Seite ein­zeln ankli­cken zu müs­sen, nur um die­se 100 Bilder einer Collection zuzuweisen.

Mit der Hilfe von Jörg Stöber (sie­he „Podcast eines Fotoproduzenten“-Folge 21) gibt es nun aber end­lich eine Abhilfe. Mit der Installation eines klei­nen und kos­ten­lo­sen Greasemonkey/​Tampermonkey-​Skripts namens „Adobe Stock Portfolio Select All Images“ erscheint nach dem Neu-​Laden der Adobe Stock-​Portfolio-​Seite der Button „sel­ect all“.

Damit las­sen sich mit einem Knopfdruck gleich alle 100 Bilder auf der jewei­li­gen Seite mar­kie­ren. Das spart also bei Bedarf 99 Mausklicks!

Wie installiere ich das Skript?

  1. Installiere die kos­ten­lo­se Erweiterung „Tampermonkey“ oder „Greasemonkey“ für Firefox, bzw. die kos­ten­lo­se Erweiterung „Tampermonkey“ oder „Violentmonkey“ für Google Chrome.
    Für macOS (Safari), Opera und MS Edge gibt es sicher ähn­li­che Erweiterungen.
  2. Lade zuerst die kos­ten­lo­se UserScript-​Datei „Adobe Stock Portfolio Select All Images“ hier her­un­ter (ggf. „Speichern unter“ mit Rechtsklick). 
  3. Installiere das UserScript mit TamperMonkey bzw. den genann­ten Alternativen. Fertig.
  4. Alternativ kannst Du auch direkt auf den Link kli­cken, wenn obi­ge Erweiterung schon akti­viert ist, dann erkennt Tampermonkey das Skript und fragt, ob Du es benut­zen möch­test. Das sieht dann unge­fähr so aus:

Wie nutze ich das „select all“-Skript?

Wenn sowohl die Erweiterung als auch das UserScript akti­viert sind, kannst Du auf die Portfolio-​Seite von Adobe Stock gehen und Du soll­test wie im Screenshot oben den Text „Select All“ sehen. Wenn der nicht sicht­bar ist, hilft in der Regel ein Refresh der Webseite. Durch das Klicken auf den Text wer­den alle 100 Bilder auf der Seite gleich­zei­tig selektiert.

Ich wün­sche euch viel Zeitersparnis mit dem Skript.

Danke an Jörg für sei­ne Mühen.

OLG-​Urteil: Motivschutz und die Grenzen der Nachstellung eines Bildes

Vor ziem­lich genau zehn Jahren habe ich die­sen aus­führ­li­chen Artikel über das Problem mit „Copycats“ in der Stockfotografie geschrieben.

Darin beschrei­be ich die unfai­ren Vorteile, wel­che sich Mitbewerber ver­schaf­fen, wenn sie sys­te­ma­tisch Besteller-​Bilder ande­rer Fotografen kopie­ren und wie schwer es ist, dage­gen vorzugehen:

Rechtlich gese­hen ist es lei­der schwer, gegen sol­che Kopien anzu­ge­hen, weil „nach­ge­stell­te Fotos“ im Gegensatz zu „iden­ti­schen Fotos“ nicht auto­ma­tisch einen Urheberrechtsverstoß bedeu­ten. Da kommt es dar­auf an, wie ähn­lich sich Kopie und Original sehen und ist meist eine Auslegungssache des Gerichts.“

(Auszug aus dem zitier­ten Blogartikel)

Die Grenzen zwi­schen Inspiration und Plagiat sind auch schwer zu grei­fen, wes­halb sich in der Stockfotografie-​Szene meist der Gedanke durch­ge­setzt hat, dass wir alle irgend­wo irgend­wann von jeman­dem kopie­ren und eben­so kopiert wer­den. Das gehö­re irgend­wie dazu, vor allem, weil sich die gut ver­kau­fen­den Themen kaum ändern und so wenig Spielraum für Ausweichmöglichkeiten bleibt, wenn mensch die­se Motive abde­cken möch­te („Business-​Handshake“, anyone?).

So muss ich als durch mei­nen Blog und mei­ne Publikationen beson­ders in der Öffentlichkeit ste­hen­der Stockproduzent meist zäh­ne­knir­schend hin­neh­men, wenn sich ande­re aus mei­nem gro­ßen Bilderfundus mehr oder weni­ger detail­ge­nau bedie­nen als Inspirationsquelle.

Das Bild und die Kopie

Manchmal gibt es aber Motive, auf die unser Team beson­ders stolz ist, weil sie eben noch nicht hun­dert­fach vor­han­den sind, vor allem, wenn die­se sich dann auch noch sehr gut verkaufen.

Als Beispiel hier die­ses 3D-​Rendering mei­nes 3D-​Grafikers von einem schwe­ben­den Sofa, seit November 2015 im Adobe Stock Portfolio (damals noch Fotolia):

Unser Original-​3D-​Rendering…

Ich rieb mir nicht schlecht die Augen, als ich im Februar 2020 im Adobe Stock Portfolio des Fotografen Rafael Classen die­ses Bild sah:

…und das Bild von Classen

Es ist das glei­che Sofa, die glei­che Topfpflanze, der glei­che Beistelltisch, und die glei­che Korkenlampe. Selbst die Kissen, wel­che beim Sofa (ein 3D-​Modell der Firma Evermotion, u.a. aus die­sem Set) brav auf dem Sofa plat­ziert waren, wur­den in fast iden­ti­scher Kombination genutzt. Auch die Farbwahl ist sehr ähn­lich, die Gemeinsamkeiten bei­der Bilder sind auf den ers­ten Blick grö­ßer als die Unterschiede.

Das Bild von Classen unter­schei­det sich in mar­gi­na­len Details: Der Fußboden ist zum Beispiel dunk­ler mit ande­rem Muster, die Fernbedienung ist ein ande­res Modell und das Bild hat weni­ger Vignettierung und ein ande­res Seitenverhältnis.

Herr Classen hat­te schon vor­her eini­ge Bilder in sei­nem Portfolio, wel­che mei­nen Bildern (und denen ande­rer Kollegen) mei­ner Ansicht nach auf­fäl­lig ähn­lich sahen, aber hier woll­te ich doch eine Grenze ziehen.

Ich mel­de­te die Kopie via DMCA-​Formular an Adobe Stock, wel­che die­se dar­auf­hin sperr­te, bis der Anbieter Widerspruch ein­leg­te. Nach den Regeln von Adobe müss­te ich nun nach­wei­sen, dass mei­ne Meldung recht­lich nach­voll­zieh­bar sei, sonst wür­de die Kopie wie­der in den Verkauf kommen.

Also for­der­te ich durch mei­nen Anwalt in einer Abmahnung die Abgabe einer Unterlassungserklärung, was Classen ablehn­te. Daraufhin reich­ten wir im April 2020 Klage wegen Urheberrechtsverletzung ein.

Kurz dar­auf reich­te Classen eine Widerklage gegen mich wegen Urheberrechtsverletzung ein, weil er der Ansicht war, ich hät­te fünf sei­ner Bilder kopiert.

Die Gerichtsentscheidungen:
1. LG München

Vor dem Landgericht München wur­de unse­re Klage (und auch die Widerklage) im Dezember 2021 abge­wie­sen. Hauptsächlich mit der Begründung, alle Werke sei­en nicht durch das Urheberrecht geschützt, weil es nach §72 UrhG weder ein Lichtbild (aka „Foto) noch ein Werk nach §2 UrhG sei:

Inwiefern ein licht­bild­ähn­li­cher Schutz auch für Computerbilder bzw. Computeranimationen sowie mit Hilfe der Digitaltechnik ver­än­der­te oder neu­kom­po­nier­te Bilder gewährt wird, ist umstrit­ten (Dreier/​Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 72, Rn. 7, 8 m.w.N.; ver­nei­nend KG, GRUR 2020, 280). Ausgangspunkt der vor­zu­neh­men­den Auslegung des § 72 UrhG ist der Wortlaut der Norm, wonach maß­geb­lich auf den Schaffensvorgang und nicht auf das Ergebnis des Schaffensprozesses abge­stellt wird. Dementsprechend kann für die Beantwortung der Frage, was unter „Erzeugnissen, die ähn­lich wie Lichtbilder her­ge­stellt wer­den“ zu ver­ste­hen ist. allein das Ergebnis des Herstellungsverfahrens letzt­lich nicht maß­geb­lich sein. Erforderlich ist nach dem Wortlaut der Norm viel­mehr, dass ein ähn­li­ches Herstellungsverfahren wie bei der Erstellung von Lichtbildern ange­wandt wird. Insoweit kommt es jedoch nicht ent­schei­dend auf den Schaffensvorgang aus Sicht des Anwenders der Technik, son­dern auf die Vergleichbarkeit der tech­ni­schen Prozesse an. Für die Ähnlichkeit der Prozesse spricht, dass bei der Erstellung einer Computergrafik auch Gegenstände zunächst räum­lich in ganz bestimm­ter Weise zuein­an­der ange­ord­net, eine bestimm­te Farbwahl getrof­fen und sodann gege­be­nen­falls über Art, Anzahl und Position der Lichtquellen ent­schie­den wird. Dies genügt jedoch nicht, um von einem licht­bild­ähn­li­chen Erzeugnis aus­zu­ge­hen. Zentrales Argument für die Privilegierung der Lichtbilder war der Einsatz der Technik der Fotografie. Im Fokus steht dabei die tech­ni­sche und nicht die schöp­fe­ri­sche Leistung. Charakteristische Merkmale der Fotografie sind aber zum einen der Einsatz von strah­len­der Energie und zum ande­ren die Abbildung eines im Moment der Bilderschaffung vor­han­de­nen, kör­per­li­chen Gegenstands (OLG Köln, GRUR-​RR 2010, 141, 142; KG, GRUR 2020, 280, 284; BeckOK UrhR/​Lauber-​Rönsberg, 32. Ed. 15.9.2021 , UrhG, § 72, Rn. 33).

Beide Merkmale erfüllt das streit­ge­gen­ständ­li­che Rendering indes nicht. Es han­delt sich hier­bei gera­de nicht um eine unter Einsatz strah­len­der Energie erzeug­te selbst­stän­di­ge Abbildung der Wirklichkeit, son­dern viel­mehr um eine mit­tels elek­tro­ni­scher Befehle erzeug­te Abbildung von vir­tu­el­len Gegenständen.“

aus dem Urteil des LG München vom 3.12.2021

Angesichts der moder­nen Technik, die schon jahr­zehn­te­lang Einzug in die Bildproduktion gehal­ten hat­te, woll­ten wir nicht so recht glau­ben, dass wir kei­ne Urheberrechte an unse­rem Bild hät­ten, nur weil es kein Foto, son­dern ein 3D-​Rendering sei.

Deshalb leg­ten wir Berufung gegen das Urteil ein. Auch Rafael Classen leg­te Berufung wegen sei­ner abge­wie­se­nen Widerklage ein.

2. OLG München

Wie wir gehofft hat­ten, betrach­te­te das Oberlandgericht München den Fall dif­fe­ren­zier­ter und fäll­te am 29.6.2023 ein Urteil zu unse­ren Gunsten (OLG München, Aktenzeichen 29 U 256/​22).

Erstens wur­de aner­kannt, dass auch 3D-​Renderings Urheberschutz genie­ßen kön­nen, wenn sie eine gewis­se künst­le­ri­sche Leistung erken­nen las­sen. Ausführlicher wird die­ser Aspekt in die­sem Blogpost auf der Webseite mei­nes Anwalts zitiert.

Zweitens legt das OLG München aus­führ­lich dar, unter wel­chen Bedingungen nicht nur direk­te Kopien eines Originals, son­dern auch Varianten davon schutz­fä­hig sein können:

[…] Ist die Veränderung der benutz­ten Vorlage indes­sen so weit­rei­chend, dass die Nachbildung über eine eige­ne schöp­fe­ri­sche Ausdruckskraft ver­fügt und die ent­lehn­ten eigen­per­sön­li­chen Züge des Originals ange­sichts der Eigenart der Nachbildung ver­blas­sen, liegt kei­ne Bearbeitung oder ande­re Umgestaltung i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG […], son­dern ein selbst­stän­di­ges Werk vor, das in frei­er Benutzung des Werks eines ande­ren geschaf­fen wor­den ist und das […] ohne Zustimmung des Urhebers des benutz­ten Werks ver­öf­fent­licht und ver­wer­tet wer­den darf.“

Genau die­se Bedingung sei in unse­rem Fall aber nicht erfüllt worden:

Bei einem Vergleich des Gesamteindrucks der bei­den Gestaltungen zeigt sich, dass die­ser auch im Rendering des Beklagten durch eben­die­se Elemente, das impuls­be­ding­te Abheben, die Wellenform, den Hintergrundkontrast und – in etwas gerin­ge­rem Maße – durch den Schattenwurf bestimmt wer­den. Gerade die wel­len­för­mi­ge Ausrichtung der Einzelelemente mit ihren ein­zel­nen Drehrichtungen und Neigungswinkeln ist prak­tisch iden­tisch zum klä­ge­ri­schen Rendering und erzeugt in glei­cher Weise den Eindruck eines kurz nach dem Abheben der Dinge erfolg­ten Schnappschusses, wobei auch der Kontrast der größ­ten­teils hel­len Elemente vor einem ähn­li­chen Blauton im Hintergrund die Wirkung ver­stärkt. Die Unterschiede der Gestaltungen, die vor allem durch einen dunk­le­ren Boden mit stär­ke­rer Zeichnung der Bohlen sowie den sich stär­ker auf der Wand als auf dem Boden abzeich­nen­den Schattenwurf bestimmt wer­den, prä­gen den Gesamteindruck beim Rendering der Beklagten dage­gen nicht so nach­drück­lich, dass die sich auf­drän­gen­den und ins Auge ste­chen­den Übereinstimmungen in ihrer Gesamtwirkung ver­blas­sen wür­den.
Da durch den stark über­ein­stim­men­den Gesamteindruck bei­der Renderings die ursprüng­li­che klä­ge­ri­sche Gestaltung beim Rendering des Beklagten deut­lich wie­der­zu­er­ken­nen ist, greift des­sen Gestaltung in den Schutzbereich des älte­ren klä­ge­ri­schen Werkes ein.“

3. Die Widerklage

Rafael Classen behaup­tet in sei­ner Widerklage, ich hät­te mit die­sen fünf Werken sei­ne Urheberrechte ver­letzt, weil er fast iden­ti­sche Bilder vor­her erstellt hätte:

Großes wei­ßes Fragezeichen vor gel­ber Wand mit Textfreiraum als FAQ Konzept
Kontakt und Kommunikation Symbole vor gel­ber Wand als Hintergrund
Leute auf Messe unter einem lee­ren Werbeplakat oder Werbebanner
Viele anony­me ver­schwom­me­ne Leute gehen im Einkaufszentrum einkaufen
Anonyme unschar­fe Menschenmenge unter­wegs auf einer Business Messe

Bei den bei­den gel­ben 3D-​Renderings mit den Icons an der Wand lehn­te das Oberlandgericht München die Berufung der Widerklage mit Verweis auf die zu gerin­ge Schöpfungshöhe ab:

Bezüglich der Renderings des Beklagten […] ist dem Landgericht dar­in zu fol­gen, dass die­se nicht die nöti­ge Gestaltungshöhe im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG auf­wei­sen und daher kei­nen Werkschutz im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 oder Nr. 5 UrhG genießen.

Es han­delt sich jeweils um im Schriftverkehr übli­che Zeichen in einer übli­chen Schrifttype, die im wei­tes­ten Sinne mit Kommunikation zu tun haben, wofür wie­der­um die Wahl der Farbe Gelb und des kon­kre­ten Farbtons wegen der Assoziation zu Postdienstleistungen beson­ders nahe­lie­gend erscheint. Der durch das Anlehnen an einer Wand, den Schattenwurf und die Spiegelung auf dem Boden ent­ste­hen­de räum­li­che Eindruck ist eben­falls im Bereich von Logos und in der Werbegrafik hin­läng­lich geläu­fig und hebt die bei­den Gestaltungen nicht vom Alltäglichen und hand­werk­lich Üblichen ab.“

Bei den drei Fotos der Kölner Messe sei zwar die Schöpfungshöhe erreicht, aber unbe­rech­tig­te Kopien sei­en mei­ne Fotos nicht:

Auch sofern man in den Aufnahmen des Beklagten blo­ße Lichtbilder nach § 72 UrhG erbli­cken wür­de, fehl­te es an einer Verletzung, da die­se nach dem oben Gesagten kei­nen Motivschutz gegen nicht­iden­ti­sche oder nicht nahe­zu iden­ti­sche Gestaltungen genie­ßen, so dass es sogar jeder­mann frei­steht, das glei­che vor­ge­ge­be­ne Motiv vom sel­ben Standort und unter den­sel­ben Lichtverhältnissen noch ein­mal aufzunehmen.“

Richtungsweisende Entscheidung

Mit dem Urteil des OLG München haben wir nun die ers­te Entscheidung seit lan­gem, die sich aus­führ­lich mit dem Motivschutz von 3D-​Renderings und Fotos befasst.

Ob Motive nach­ge­stellt wer­den dür­fen, hängt dem­nach von vie­len Faktoren ab, die im Einzelfall geprüft wer­den müs­sen. Eine Urheberrechtsverletzung liegt in der Regel dann vor, wenn die den Gesamteindruck prä­gen­den Gestaltungselemente des Originals auch in der Kopie vorliegen.

Weitere Termine

Auch wenn die­se Klage erle­digt ist, gibt es wei­te­re Gerichtstermine mit Herr Classen. Am Mittwoch, den 8.5.2024 fin­det vor dem Landgericht Düsseldorf der Gütetermin und Verhandlungstermin wegen „Folgeansprüchen aus Wettbewerbsrechtsverletzung durch Veröffentlichungen eines Mitbewerbers und daten­schutz­recht­li­cher Auskunft“. Die Einstweilige Verfügung in die­sem Zusammenhang hat er bis­her größ­ten­teils ver­lo­ren, inso­fern bin ich auch da zuversichtlich.

Rezension: „Stockfotografie“ von Thomas Nolte (Verlag Klaus Wagenbach)

Im Verlag Klaus Wagenbach gibt es seit 2019 mit „Digitale Bildkulturen“ die ers­te Buchreihe, wel­che sich sys­te­ma­tisch mit digi­ta­len Bildphänomenen beschäftigt.

Das reicht von „Cat Content“ über „TikToK“ und „Videokunst“ bis zur Stockfotografie* . Letzteres Buch mit Thomas Nolte als Autor ist vor einer Woche erschie­nen (ISBN ‎ 978–3803137418). Ich habe es mir für euch angeschaut.

Das Buch ist wie alle Ausgaben der Reihe recht klein (ich habe zum Vergleich mal mei­ne Hand im Bild gelas­sen) und mit 80 Seiten auch recht dünn.

Wenn da noch die Anmerkungen und das Abbildungsverzeichnis weg­ge­las­sen wer­den, blei­ben net­to ca. 55 Seiten, in denen Thomas Nolte zei­gen will, „dass sich aus dem Geschäftsmodell der Stockfotografie eine eige­ne unver­wech­sel­ba­re Ästhetik ergibt“ (S. 10–11).

Gedanklich teilt sich das Buch grob in drei Abschnitte.
Erstens die Entstehung der Stockfotografie, wel­che sich mit der Kapitelüberschrift „Stockfotografie als Adoptivkind des Neoliberalismus“ gut zusam­men­fas­sen lässt.

Zweitens dem Einfluss der Stockfotografie in der Meme-​Kultur, im Buch exem­pla­risch vor allem am „Distracted Boyfriend“- und „Hide the Pain Harold“-Meme dar­ge­stellt.

Drittens der Zuarbeit der Stockfotografie-​Branche für die auf­kom­men­den KI-Unternehmen:

Der Eintritt der Stockfotografie in die digi­ta­le Sphäre geht dabei nicht spur­los an ihr vor­über. Vielmehr wird sie von der Dynamik des Internets erfasst: So trei­ben die Sozialen Medien mit den kli­schee­haf­ten Darstellungen der Stockfotografie ihren Schabernack, und Unternehmen machen sich die digi­ta­li­sier­ten Bilddatenbanken der Stockfotografie zunut­ze, um ihre künst­li­chen Intelligenzen (KI) zu trai­nie­ren. Damit neh­men Stockfotos in der digi­ta­len Bildkultur eine Scharnierfunktion ein: Sie die­nen als Grundlage für eine gera­de erst anbre­chen­de Ära von KI-​generierten Bildern, in denen sich die Ästhetik der Stockfotografie fort­setzt, ja viel­leicht sogar prä­gend wird.“ (S. 11)

Solche prä­gnan­ten Zusammenfassungen der Stockfotografie-​Entwicklung gibt es eini­ge im Buch. Zur Kommerzialisierung heißt es zum Beispiel:

Die Einbindung der Microstockfotografie führ­te zu den schon häu­fi­ger beschrie­be­nen Effekten des Plattformkapitalismus: Die Produktionskosten wer­den auf die Produzent*innen abge­wälzt, wodurch sich die Preise für die Kund*innen sen­ken las­sen. Den Hauptteil der Gewinne strei­chen die Plattformbetreiber ein, wäh­rend die Produzent*innen nur noch in Ausnahmefällen von ihrer Arbeit leben kön­nen.“ (S. 18)

Interessant ist mei­ner Ansicht nach auch die Erwiderung im Buch auf den häu­fi­gen Vorwurf, Stockfotos wür­den die mit ihrer Darstellung die Gesellschaft beein­flus­sen. Laut Nolte bie­ten Stockfotos viel­mehr eine Vielzahl an mög­li­chen Gesellschaftsentwürfen an, aus denen sich die Käufer dann ihre bevor­zug­te Version aussuchen:

Dadurch machen Stockfotos sicht­bar, was eine Gesellschaft als „nor­mal“ betrach­tet.“ (S. 42)

Die Diskussionen um den nega­ti­ven Einfluss der KI auf die Stockfotobranche sind im Buch kurz und kna­ckig zusam­men­ge­fasst und mit etwas Mühe kann trotz­dem sogar ein klei­ner Hoffnungsschimmer her­aus­ge­le­sen werden:

Ein Alleinstellungsmerkmal der Stockfotografie ist, dass sie immer wie­der neue Bildformeln ent­wi­ckelt, mit denen sie auf gegen­wär­ti­ge Ereignisse ver­weist. Zwar lässt sich ein Bild wie das des auf dem Heizkörper ste­hen­den Sparschweins ohne Probleme mit einem Bildgenerator erstel­len, die kon­zep­tio­nel­le Idee hier­für bedarf aber wei­ter­hin der mensch­li­chen Erfindung. Eine Überlebenschance der Stockfotografie liegt also in ihrer kon­zep­tio­nel­len Arbeit.“ (S. 61)

Hier unter­schätzt der Autor jedoch viel­leicht die Entwicklungen auf dem Gebiet der gene­ra­ti­ven Text-​KIs. Als Beispiel habe ich ein­fach mal ChatGPT gefragt, wie das im Buch auf­ge­grif­fe­ne Thema „Energiekrise“ visu­ell kon­zep­tio­nell umge­setzt wer­den könnte.

Abgesehen davon lie­fert das Buch einen kur­zen Überblick über den geschicht­li­chen Werdegang der Stockfotografie mit­samt einer gesell­schaft­li­chen, wirt­schaft­li­chen und tech­no­lo­gi­schen Einordnung.

Stockfotograf*innen wer­den im Buch sicher kei­ne kon­kre­ten Handlungsempfehlungen fin­den, aber in der Lage sein, über ihre beruf­li­che Position etwas zu reflektieren.

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